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„Zu schwul“ fürs Kino

2. Oktober 2013

Es ist einmal mehr ein trauriges Beispiel für den riesigen Stock, den Hollywood im Arsch stecken hat… und wohl auch nach wie vor ein trauriges Beispiel, wie homophob unsere Nachbarn aus den USA doch sein können. Man möge sich nur vielleicht dumpf an jenen einen Film erinnern, zwei Cowboys in der Einsamkeit der Natur die Liebe zu einander finden. „Brokeback Mountain“ war (und ist) ein großartiger Film, der dennoch vor allem in Amerika für Diskussionen und Kontroversen sorgte. Wie kann auch jemand kommen und das gute Image des „Malboro Man“ zerstören? Schwule Cowboys – schlimmer geht’s ja wohl nicht.

Doch wer sich an diese Geschichte erinnern kann, den dürfte es wohl auch nicht wundern, dass Hollywoods Studiobosse mit Steven Soderberghs neuestem Film ebenfalls ein Problem hatten. Solange er Action-Komödien mit vielen Stars und vielleicht auch den einen kleinen Film nebenbei dreht, ist alles in Ordnung. Will Soderbergh aber einen Film über eine der schillernstend Figuren in der amerikanischen Entertainment-Branche drehen, dann ist das den Studios „zu schwul“.

Worum geht’s? Dreht Soderbergh jetzt knallharte Schwulenpornos? Nein, natürlich nicht. Stattdessen wollte der Gute die letzten Jahre des Entertainers Liberace verfilmen. Der war so erfolgreich, dass er schon als „Mr. Showmanship“ bezeichnet wurde. Und trotz seiner langen Pelzumhänge, dem ganzen Glitzer und seiner Art wurde erst nach seinem Tod für viele klar, dass der Mann homosexuell war.

In „Behind the Candelabra“ (bei uns einfach nur „Liberace“) spielt Michael Douglas den Klavier-Virtuosen und Entertainer Liberace (liebevoll auch „Lee“ genannt), der während nach einer Show im Jahr 1976 auf den jungen Scott Thorson (Matt Damon) trifft. Liberace findet Gefallen an dem jungen Mann, stellt ihn als „Kompanion und Gesprächspartner“ ein. Doch die beiden führen auch eine heiße Liebesbeziehung, die der deutlich ältere Liberace dem jungen Scott durch zahlreiche Geschenke wie Häuser, Schmuck und Reisen, versüßt. Doch er kontrolliert den Jungen auch, ordert Schönheitsoperationen und erschafft ihn mehr und mehr nach seinem eigenen Vorbild.

Was den Studios wohl sauer aufgestoßen ist, sind Küsse und Liebesszenen zwischen Michael Douglas und Matt Damon. Aber zum Glück gibt es auch diejenigen, die darüber hinaus sehen können. So schnappte sich der Fernsehsender HBO Soderberghs Film und brachte das Ganze im Fernsehen. Und das ist verdammt schade. Es ist schade deswegen, weil Hollywood sich hier echt einen guten Film entgehen ließ.

„Behind the Candelabra“ ist ein bewegendes Biopic über eine Beziehung, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Mit einem kleinen, aber feinen Kniff lässt uns Soderbergh das in einer Art Rahmenhandlung spüren: Liberaces erster Freund sitzt wütend einsam an einem Tisch, wenn Lee Scott kennenlernt. Und ein paar Jahre später sind die Rollen getauscht, Scott sitzt wütend an einem Tisch, während Lee den nächsten Typen angräbt.

Soderberghs „Behind the Candelabra“ fühlt sich dabei weniger wie ein Biopic an. Wir müssen nicht jeden wichtigen Moment in Liberaces Leben durchlaufen. Er wird uns einfach schon als der schillernde Paradiesvogel präsentiert, der er ist. Statt Biopic ist der Film wirklich viel mehr bewegendes Drama, bei dem es vor allem um Themen wie Einsamkeit, Reichtum und Berühmtheit geht. Auf Liberace trifft alles zu, denn trotz seines Reichtums und seiner Berühmtheit scheint er sich einsam zu fühlen. Scott scheint da zwar anfangs wie eine willkommene Abwechslung, doch nimmt es halt irgendwann sehr merkwürdige Züge an.

Es gibt viel, was all die Studios an diesem Film verpasst haben – und das wegen ein paar kleineren „Liebesszenen“, die aber nie voyeuristisch werden. Was hier eher verpasst wurde, war es, die Tatsache anzuerkennen, dass Michael Douglas hier möglicherweise eine seiner besten Darbietungen abliefert. Douglas geht in dieser Rolle richtig auf und spielt Liberace inbrünstig und ohne jegliche alberne Schwulen-Klischees anschneiden zu müssen. Wirklich erschreckend beeindruckend ist aber auch Matt Damon. Schauspielerisch gut, kann er Douglas jedoch nicht das Wasser reichen, dennoch ist es beeindruckend, was gerade die Maskenbilder aus Damon machen, wenn er mehr und mehr wie Liberace selbst aussieht.

Kleine Überraschungen liefern auch Rob Lowe und Dan Akroyd, die beide fast nicht wiederzuerkennen sind.

Ich gestehe, ich kannte Liberace vorher überhaupt nicht. War mir kein Begriff, aber selbst mich hat Soderbergh begeistern können. Was halt daran liegt, dass er hier eine wirklich packende und bewegende Story mit hervorragenden Schauspielern erzählt. Warum das keiner haben wollte???

Wertung: 9 von 10 Punkten (Douglas ist großartig… dafür hätte er sich noch einen Oscar holen können)

10 Kommentare leave one →
  1. 2. Oktober 2013 07:59

    Klingt verdammt gut. Bin auch sehr interessiert an dem Film. Wird geguckt, sobald möglich.

    Und das mit dem Stock im Arsch ist ja nichts neues. Wenn Köpfe rollen ist das kein Problem, aber wehe ein Nippel ist irgendwo zu sehen oder eben gleichgeschlechtliche Liebe. Mein Gott…

    • donpozuelo permalink*
      2. Oktober 2013 08:59

      Der ist auch wirklich gut. Und wie gesagt, Michael Douglas ist großartig.

      Und was das Köpfe-Rollen und sonstiges angeht: Zum Glück haben wir mittlerweile mutige TV-Sender, die sich um fast nichts mehr Sorgen machen 😀

  2. 2. Oktober 2013 08:44

    Lowe war der Knaller, den Film fand ich ebenfalls gut, wenn ich auch nicht ganz so euphorisch war wie du 🙂

    • donpozuelo permalink*
      2. Oktober 2013 09:00

      Lowe war spitze. Kaum wiederzuerkennen, aber spitze!!!
      Ja, das mit der Euphorie kommt immer dann, wenn ich nichts erwarte und dann bestens unterhalten werde 😉

  3. 2. Oktober 2013 09:01

    Ich finde die Entwicklung übrigens gut. Hollywood soll ruhig merken, dass es andere, bedeutende Distributionsformen da draußen gibt. Ich glaube in den kommenden Jahren wird da noch einiges passieren: Fincher mit „House of Cards“, nun Soderbergh…

    Kann der Branche nur gut tun 🙂

    • donpozuelo permalink*
      2. Oktober 2013 09:05

      Auf jeden Fall. Zumal die Sender in den USA ja auch viel mutiger und risikofreudiger geworden sind… was sich ja vor allem auch an den Serien bemerkbar macht. Was da so in den letzten Jahren zum Vorschein gekommen ist, ist schon beeindruckend. Im Endeffekt sind die großen Studios dann echt die Verlierer, wenn sie sich so gute Sachen entgehen lassen. Aber naja… immerhin haben wir Glück und kriegen den Film auch normal im Kino zu sehen.

  4. 2. Oktober 2013 15:57

    Will ich auch unbedingt ansehen.
    Ja was eine Enttäuschung, dass er in den USA nicht ins Kino kam, da haben sie Douglas glatt um eine Oscarnominierung betrogen.

    • donpozuelo permalink*
      2. Oktober 2013 16:59

      Ich würde fast behaupten, da haben sie ihn um den Oscar betrogen… gut, keine Ahnung, was da noch so kommen wird. Aber Douglas ist wirklich verdammt gut.

  5. 4. Oktober 2013 12:20

    Wenn eine TV-Produktion in Cannes läuft, sagt das schon ziemlich viel über die Qualität dieses Films aus. Wenn ich die Gelegenheit bekomme (und ich glaube, die wird hier in Mainz tatsächlich geboten), den Film in einer OV zu sehen, werde ich mir den Film auch anschauen.

    • donpozuelo permalink*
      4. Oktober 2013 15:59

      Da hast du wohl Recht. Und gleichzeitig zeigt man damit den Studios schön den Stinkefinger 😉

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