Neon-Licht und Karaoke
Eigentlich hätte Nicolas Winding Refn schon sehr viel früher erklären sollen, dass sein neuester Film dem chilenischen Regisseur und Fan des Surrealen Alejandro Jodorowsky gewidmet ist. Dann hätte man sich vielleicht über Jodorowsky informieren können und dann würde dem ein oder anderen auch schon vorher klar sein, dass „Only God Forgives“ kein „Drive“-Abklatsch ist. Denn einmal mehr verbünden sich Refn und Ryan Gosling… allerdings zu einem Film, der weniger gut weggekommen ist als sein Vorgänger. Während es ja schon fast eine Schande ist, wenn jemand „Drive“ nicht mag, wurde „Only God Forgives“ schon während seiner Premiere in Cannes böse ausgebuht und von nicht wenigen aus zerrissen. Und auch ich muss zugeben, dass ich stark zwiegespalten bin, was dieses Machwerk von Nicholas Winding Refn angeht.
In „Only God Forgives“ geht’s für uns nach Bangkok… aber nicht auf einen „Hangover 2“-Trip. Hier betreiben die Brüder Billy (Tom Burke) und Julian (Ryan Gosling) einen Boxclub, der aber nur die Fassade für ein gut florierendes Drogengeschäft ist. Doch das ist nur das Setting und eigentlich kaum weiter wichtig für den Film. Eines Abends vergewaltigt und tötet Billy ein 14-jähriges Mädchen, nur um im Anschluss von dessen Vater umgebracht zu werden. Die Möglichkeit ergab sich, als Polizist Chang (Vithaya Pansringarm) den Vater und Billy in einem Raum einschloss. Für Julian bedeutet der Tod seines Bruders scheinbar nicht viel, doch als die liebe Mama (Kristin Scott Thomas) plötzlich auftaucht, geht’s so richtig rund.
Wie gesagt, ich bin arg zwiegespalten, wie ich diesen Film einschätzen soll. Fangen wir vielleicht einfach damit an, dass mich das extrem Künstliche an diesem Film sehr gestört hat. Künstlich deswegen, weil irgendwie jede Einstellung gezwungen langsam wirkt. Geht Gosling nur durch einen Flur, fühlt sich das an wie in Slow-Motion. Jede Handbewegung, jede Augenbewegung, jede Regung wirkt einstudiert und bis ins letzte geplant. Dadurch wirken alle Charaktere in diesem Film eher wie Roboter als wie echte Menschen.
Vielleicht ist das sogar gewollt, allerdings störte es mich schon, dass ich über die Figuren selbst eigentlich nicht sonderlich viel erfahren habe. Eigentlich gar nichts. Wir bekommen da dieses Trio aus Polizist, trauernder Mutter und Julian. Jeder für sich scheint irgendwie nicht ganz richtig im Kopf zu sein – krank, roboterhaft und nicht von dieser Welt. Cop Chang schwingt ständig sein Schwert, Julian ist fast ohne Emotionen in egal welcher Beziehung und die werte Frau Mama ist eine absolute Eiskönigin.
Bei Kristin Scott Thomas hat mir dieses steife Gehabe sogar noch am besten gefallen. Wenn sie fast schon wie eine Statue auf dem Sofa sitzt und in diesen steifen Bewegungen an ihrer Zigarette zieht, dann wirkt sie fast schon wie eine Rachegöttin, die auf dieser Welt ihr Werk vollenden will, bevor sie wieder dahin zurückkehrt, wo sie hergekommen ist.
Goslings Julian war für mich am undurchschaubarsten. Der Typ ist wie aus Stein. Keinerlei Regungen, gar nichts. Er ist ein emotionsloses Ding, man kann ihn weder mögen noch hassen. Er ist eigentlich ein Nichts. Und vielleicht ist auch das etwas, dass Refn genau so ausdrücken will. Dazu gibt’s dann noch Chang, der nach getaner Arbeit gerne für seine Kollegen Lieder zum besten gibt und den man auch nur als irgendwie geistesgestört bezeichnen könnte.
Man muss sich an all diese Sachen echt gewöhnen, aber es fällt verdammt schwer. „Only God Forgives“ ist weniger Film als vielmehr Kunstprojekt. Vielleicht schlägt sich hier der Jodorowsky-Einfluss nieder, wenn wir fast alle Bilder nur in grellem Rot- oder Neon-Licht serviert bekommen. In „Only God Forgives“ ist kein Platz für Sonnenschein oder Tageslicht (zumindest nicht viel). Auch hier regiert das Künstliche!
Einzig und allein in Sachen Gewalt könnte man versuchen, Vergleiche zu „Drive“ zu ziehen. Das würde aber nur so weit führen, dass man sagen kann, Refn geht hier wieder voll aufs Ganze. Der Kampf zwischen Chang und Julian ist ein ungleicher und extrem harter. Aber auch das ist nicht das einzige, wovor man hier die Augen zusammenkneifen könnte.
Tja… und somit bleibt die Frage, wie man diesen Film jetzt bewertet… großes Highlight war für mich auf jeden Fall Kristin Scott Thomas in der Perfektion der eiskalten „Königin“. Hier hat das Künstliche perfekt gefruchtet. Als Film fand ich „Only God Forgives“ teilweise extrem anstrengend und unzugänglich: Ich bekomme ein Dreier-Pack kranker Menschen vorgesetzt, die sich irgendwie alle gegenseitig umbringen wollen und das war’s… ich erfahre keine Hintergründe, nichts…
Als Kunstprojekt oder Filmexperiment über die Verwendung von Neon-Licht und Roboter-Menschen und die große Frage nach dem Warum und Wieso funktioniert „Only God Forgives“ dann schon eindeutig besser. Es ist kein Film, der unterhalten will. Refn erschafft hier etwas, dass in keine Schublade passt… und hat damit wahrscheinlich genau das erreicht, was er wollte: Sämtliche Erwartungen zerstören!
Wertung: 6 von 10 Punkten (erwartet kein „Drive“, erwartet am besten gar nichts außer einer über-großartigen Kristin Scott Thomas)
Schau dir mal ein wenig die Hintergründe an oder Interpretationen, dann schätzt du den Film vielleicht besser ein. Ich konnte nach dem Kinobesuch auch nicht sehr viel damit anfangen, aber eines wusste ich: Ich habe einen ästhetisch fabelhaften Film gesehen.
Leider siehst du die Ästhetik als Negativpunkt (erste Kritik, die das bemängelt!). Die ist einfach überragend, schaut man sich einfach irgendeine Aufnahme im Film an. Ja, langsame Aufnahmen sind halt etwas anstrengender, aber wenn man sich mal von der Wucht der Bilder einnehmen lässt, dann macht das überhaupt nichts.
Leider hast du auch ein DRIVE erwartet, wie es ausschaut. Lieber nicht direkt auf ältere Werke schauen bei Refn und insbesondere lohnen Vergleiche auch überhaupt nicht (warum auch? Es geht um OGF als eigenständigen Film und nicht um Drive). Obwohl es am ehesten wohl mit Valhalla Rising vom Feeling vergleicht werden kann.
Wenn man sich etwas mehr Zeit mit dem Film lässt, dann kann man ihn doch sehr schätzen. Wenn man die Metaphorik hinter den Bildern dennoch nicht mag und alles als prätentiös abstempelt (wie viele Kritiken), nunja, dann mochte man ihn einfach nicht.
Und man bekommt doch ein paar Infos über die Charaktere. Die wenigen Dialoge im Film sollte man sich dann auch zu Herzen nehmen ^^
Kurze Hilfe: Stelle dir Chang als Gott vor, Julian als Handlanger, der Böses macht, am Ende aber „besser“ wird und ihm vergeben wird.
Die kurze Hilfe war gut 😉 Ein „Drive“ habe ich allerdings wirklich nicht erwartet, dass das was ganz anderes wird, war mir eigentlich schon von vornherein klar.
Aber gut, irgendwann werde ich diesen Film sicherlich noch einmal sehen und dann werde ich an dich denken!
Hehe, das freut mich. Ich hab aber auch – wie geschrieben – erst mich noch etwas reinlesen müssen, um für mich eine funktionierende Sicht auf den Film zu finden.
Aber so hoch loben will ich OGF ja auch nicht, hab dem ja auch „nur“ 7,5/10 fürs erste gegeben ^^
Ich weiß schon was du meinst, irgendwie will ich mich nur auch nicht in einen Film einlesen müssen… 😉 Dafür gehe ich nicht ins Kino.
Ich habe den Film nun ein zweites Mal gesehen und muss sagen, dass ich noch bei weitem nicht hinter den Sinn der Ästhetik steige. Allerdings bin ich mir sehr, sehr sicher, dass jede Einstellung, jede Farbgebung und Lichtsetzung bis ins Detail durchdacht ist – dafür steckt einfach zu viel Arbeit darin.
Und für mich ist ONLY GOD FORGIVES eine der passendsten Parabel, die ich je über Gewalt gesehen habe – allerdings muss man schon einiges aushalten, um die durchzustehen 😉
Ein zweites Mal werde ich mir den sicherlich auch ansehen. Was Khitos da so zum Thema Gott und so sagt, klingt nicht ganz so doof. Unter dem Gesichtspunkt macht der Film dann vielleicht etwas mehr Sinn. Die Parabel zur Gewalt ist aber wirklich überdeutlich… und ziemlich schmerzhaft 😉