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This is ISS, do you copy?

25. Juni 2012

Stanley Kubrick ist für mich immer noch der Mann, der den mit Abstand nachdenklichsten Science-Fiction-Film aller Zeiten geschaffen hat. Ein Film, der einem auf seine merkwürdige Art und Weise die Natur des Menschen näherbringen möchte, der das Streben des Menschen nach mehr offenbart, der die Weiterentwicklung des Menschen etwas Gottgleichem nahelegt, dem der Mensch versucht entgegen zu streben. Ich habe keine Ahnung, ob es wirklich das ist, was Stanley Kubrick uns mit seiner Verfilmung von „2001 – Odyssee im Weltall“ sagen wollte. Vielleicht weiß nicht einmal Kubrick selbst, was er uns damit sagen wollte – außer, dass er so gut ist, so einen Film zu machen und dafür auch noch Lob zu bekommen. Denn egal, wie man nun zu „2001“ steht, das Genre des Sci-Fi-Films hat der Film maßgeblich beeinflusst.

Und als Meilenstein in der Filmgeschichte muss man sich natürlich damit abfinden, dass andere immer wieder versuchen werden, dem näher zu kommen – halt das Streben nach mehr. Nur leider ist es gar nicht so einfach, dem großen Kubrick’schen LSD-Traum von einem Film auch nur nahezukommen. Doch auch Regisseur William Eubank konnte der Versuchung nicht widerstehen. Mit seinem Debüt „Love“, dass er dank der Band „Angels & Airwaves“ finanzieren konnte, möchte auch Eubank uns das Wesen des Menschen auf möglichst eindrucksvolle Weise vorführen. Dabei geht es Eubank vor allem darum, dass wir Menschen soziale Wesen sind. Wir kommunizieren mit anderen, wir lieben oder hassen andere. Wir brauchen in jedem Fall die Beziehungen zu anderen Menschen, um uns darüber hinaus selbst zu definieren. Dadurch beeinflussen wir dann letztendlich nicht nur unser eigenes Leben, sondern auch das, der Menschen um uns herum. Man könnte also sagen, wir sind immer und überall miteinander verbunden – selbst über Zeit und Raum.

Deswegen beginnt „Love“ auch im amerikanischen Bürgerkrieg mit einem jungen Soldaten, der auf eine Mission geschickt wird und endet mit einem jungen Astronauten, der im Jahr 2039 nach 20 Jahren zum ersten Mal wieder auf die ISS geschickt wird. Hier soll Astronaut Lee Miller (Gunner Wright) prüfen, ob die Station im All noch funktionstüchtig ist. Doch nach einiger Zeit bricht der Kontakt zur Erde ab. Vom All aus erleben wir mit, wie das Leben auf der Erde ausgelöscht wird und Miller somit vollkommen allein um die Erde kreist. Es beginnt ein Kampf gegen die Einsamkeit, gegen den Wahnsinn der Isolation…

An und für sich ist die Idee, die hinter „Love“ steckt, ziemlich interessant. Und beginnt auch so: Der kurze Abstecher ins Jahr 1864 macht neugierig, denn der Soldat, der dort losgeschickt wird, ist nicht nur ein Vorfahre des Astronauten Miller, sondern entdeckt auch noch etwas absolut unglaubliches… nur bevor wir das sehen dürfen, kommt der Schnitt und wir sind in der Zukunft. Bei einem Astronauten, der eigentlich nur mit seinen Computern redet und selten Kontakt zur Erde hat. Gunner Wrights Astronaut ist auch mit dem Kontakt zur Erde bereits isoliert, lebt aber immerhin noch mit der Illusion, nicht komplett allein zu sein. Wir erleben seinen drögen Alltag: Sport, Lesen, am Computer Daten auswerten. Und das jeden Tag. Langweilig, aber notwendig für die Wissenschaft. Bis zu dem Tag, wo der Kontakt abbricht… die Illusion zerplatzt wie eine Seifenblase: Miller ist wirklich allein hier oben. Mit Fotos von anderen Astronauten, mit Selbstgesprächen versucht Miller, dem Wahnsinn zu entkommen… aber das gelingt ihm nur schwer.

„Love“ möchte eine Psychostudio sein: Gefahren der Isolation aufzeigen. Gunner Wright gibt sich auch die größte Mühe, diesem drohenden Wahnsinn ein Gesicht zu geben. Was heißt, versucht? Wrights Darstellung ist beachtlich… immerhin liefert er hier 84-Minuten eine One-Man-Show ab. Und die ist wirklich gut. Gunner Wright ist wirklich gut.

Aber wie anfangs schon erwähnt, möchte Regisseur Eubank hier einen nachdenklich stimmenden Art-House-Film abliefern, also muss der Film dem gleichen Wahnsinn verfallen wie seine Hauptfigur. Der Film verwirrt uns gerne: da werden zwischen das Leiden unseres Astronauten Interviews mit Leuten geschnitten, die verdeutlichen, wie wichtig Liebe ist, da wird die Chronologie über den Haufen geworfen und wir reißen immer mal wieder vor und zurück in der Zeit, bis wir uns am Ende eine wichtige Frage stellen müssen: Ist Gott womöglich ein Astronaut?

Eigentlich mag ich so was gerne, aber Eubank beschleunigt zum Ende die Schnittfolge, bombardiert uns mit tollen Bildern und merkwürdigen Kameraperspektiven, dass man ein klein wenig den Überblick verliert. „Love“ wirkt ein wenig zu sehr gewollt: „Ich muss den Zuschauer verwirren. Ich muss unverständliche Bilder einbauen! Ich muss den Zuschauer dazu zwingen, die wahren Erleuchtung zu finden.“ NEIN! Musst du nicht! Warum halten so viele Arthouse für hochtrabendes Intellektuellen-Kino? Das macht es „Love“ nicht gerade einfach. Die große Erleuchtung über Liebe und Leben braucht man nicht hinein interpretieren, weil der Film das doch alles ganz gut vorgibt. Aber dann muss man so ein Pedant zu Kubricks Schwarzem Zylinder mit einbauen, um alles noch auf eine höhere Ebene zu stellen. Muss man alles nicht!

Eubank versaut sich den Film dadurch! „Love“ hätte ein wirklich toller Film werden können, der trotz Low-Budget mit tollen Bildern und einem starken Hauptdarsteller aufwarten kann. Aber dieser verzweifelte Versuch zwischendurch und gerade zum Ende hin, den Film hoch philosophisch werden zu lassen, versaut einem die anfängliche Freude.

Für Fans der Band „Angels & Airwaves“ gibt dazu dann wenigstens noch die Musik der Band, auch wenn ich mich jetzt nicht als Fan bezeichnen möchte. In manchen Szenen ist die Musik etwas zu dick aufgetragen für meinen Geschmack, aber hier und da passt sie sich sehr gut den filmischen Gegebenheiten an. Somit ist „Love“ auf jeden Fall ein sehr gelungenes Promotion-Video für die Band, was undurchschaubare Science-Fiction-Stories angeht, bleibe ich dann doch lieber bei Kubrick.

Wertung: 6 von 10 Punkten (eigentlich eine grandiose Idee, die aber unter den Ambitionen von Regisseur Eubanks leidet – vielleicht muss ich mir den einfach noch ein zweites Mal anschauen, um ihn wirklich zu mögen)

6 Kommentare leave one →
  1. 25. Juni 2012 13:23

    Habe schon mal von dem Film gehört, aber wenn überhaupt steht Duncan Jones MOON erstmal an – achja, und dann liegt hier ja noch 2001…

    • donpozuelo permalink*
      25. Juni 2012 15:02

      Oh ja, beides gute Alternativen: „2001“ ist mal einfach nur Pflicht 😉 Und „Moon“ ist ein tolles Beispiel dafür, dass so eine One-Man-Moon-Show richtig gut funktionieren kann.

  2. 27. Juni 2012 22:22

    Großzügig. Ich fand ihn ja wirklich schrecklich und dachte, ich halte es nicht durch, aber ich fand die Musik auch ganz fürchterlich.

    • donpozuelo permalink*
      28. Juni 2012 08:44

      Die Musik war auch nicht wirklich mein Fall, aber viele Ansätze des Films haben mir sehr gut gefallen. Nur zum Ende hin wird es wirklich sehr abgefahren und verworren.

  3. 29. Juni 2012 08:40

    Ist es nicht immerhin optisch grenzenlos schön? Der Trailer sah jedenfalls danach aus.

    • donpozuelo permalink*
      29. Juni 2012 09:11

      Ob es optisch grenzenlos schön ist, will ich nicht sagen. Der Film hat aber schon ein paar echte Hingucker.

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