Tötet sie alle!
Geschichte ist spannend – aber immer nur so spannend, wie sie erzählt wird. Und wenn Hollywood sich geschichtlichen Stoffen annimmt, dann wird daraus auch gerne mal schnell was richtig Heldenhaftes. Ich erinnere da nur an die vielleicht ausufernste Historien-Saga „300“. Die Schlacht bei den Thermopylen, in der ein paar Griechen die Armee des Xerxes am Weiterkommen hindert. Im Kino großes Spektakel, in Wirklichkeit wahrscheinlich eher weniger spektakulär (klar darf man das nicht zu ernst betrachten, schließlich hat Frank Miller sich ja das ein oder andere noch dazu gedacht). Aber da haben wir es dann auch schon wieder: Reale Geschichten sind zwar toll, aber ein wenig Fantasie muss schon dabei sein, um es für einen Film anschaulicher zu machen.
Aber kommen wir jetzt mal weg von dem vielleicht etwas plakativ gewähltem „300“-Beispiel und wenden uns den Japanern zu. Hand hoch, wer Takashi Miike kennt! Ein paar Leuten dürfte der Mann schon ein Begriff sein. Miike zeichnet sich dadurch aus, dass er a) sich auf kein Genre festlegen lässt (von subtilem Horror über offensichtlichen Horror bis hin zu Asia-Western und Kinderfilmen hat er alles in seiner Filmographie) und b) wenn er was mit Blut macht, dann macht er es richtig. Ein Miike-Film ohne Grausamkeiten und eine Menge Kunstblut ist irgendwie kein echter Miike.
Da kann man ja froh sein, dass sich Miikes „13 Assassins“ für etwa eine Dreiviertelstunde mit eigentlich nichts anderem beschäftigt – außer halt Gewalt und Kunstblut. Aber fangen wir von vorne an.
„13 Assassins“ ist Miikes Remake des gleichnamigen Samurai-Films aus dem Jahr 1963, der sich sehr lose an einem historischen Ereignis orientiert: Der Bruder des Shoguns, Lord Naritsugu, ist ein brutales und unbarmherziges Oberhaupt, der raubt, vergewaltigt, verstümmelt und mordet, wie es ihm beliebt. Einer seiner älteren Beamten erkennt die Schwere der Lage und entschließt: Naritsugu muss aufgehalten werden. Daraufhin bittet dieser Beamte den alten Samurai Shinzaemon (Kōji Yakusho) um Hilfe: Der sammelt 12 weitere Samurai um sich, und stellt den Zug von Lord Naritsugu in einem kleinen Dorf. Ein Kampf 200 gegen 13 beginnt – eine Kamikaze-Aktion, aber schließlich geht es um die Ehre!
Mit „13 Assassins“ verbeugt sich Miike vor den Samurai-Filmen und vor allem vor Samurai-Film-Übervater Akira Kurosawa. Man möchte Miike kein Plagiat vorwerfen, aber „13 Assassins“ schreit förmlich nach „Die Sieben Samurai“. Abgesehen von dem offensichtlichen Unterschied in der Anzahl der Samurai weist „13 Assassins“ zahlreiche Parallelen zu Kurosawas Meisterwerk auf.
- Ähnlich wie schon bei Kurosawa lässt Miike der Vorstellung der einzelnen Charaktere viel Zeit. Was bei Kurosawa aber gut funktioniert hat, wird bei Miike zu einer kleinen Tortur. Fast eine Stunde nimmt sich Miike um auf die große Schlacht vorzubereiten, in dieser Zeit sammeln sich die Samurai, bringen sich hier und da ein paar hohe Offiziere aus Schande um. Miike überflutet seinen Zuschauer mit Namen und Gesichtern, die man teilweise gar nicht so schnell auseinander halten kann, um zu ermitteln, wer jetzt was für wen und warum macht. Aber mit ein wenig Hirnschmalz hält man dann auch die einzelnen Parteien auseinander und erkennt die Guten und die Bösen.
- Es spielt sich letztendlich alles in einem Dorf ab. In „Die Sieben Samurai“ müssen die Helden ein Dorf vor Banditen schützen und verwandeln die kleine Ansammlung von Hütten in eine Festung. Auch in „13 Assassins“ spielt ein mit Fallen versehenes Dorf als Dreh- und Angelpunkt. 13 Samurai gegen 200 – da will man schließlich vorbereitet sein.
- Selbst in den Figuren erinnert der Film sehr stark an Kurosawas Meisterwerk: Vom alten weisen Anführer über den jungen Spund bis hin zu einem, der eigentlich gar kein richtiger Samurai ist, ist alles vertreten. Leider bleiben einige der Samurai „unbehandelt“ und stumm, dienen quasi nur als Lückenfüller, damit es am Ende tatsächlich 13 sind, die da kämpfen.
- Damit wären wir dann auch beim letzten Punkt der großen Übereinstimmung: Das Finale! Beide Filme kulminieren in der lang ersehnten, viel besprochenen Schlacht. Bei Kurosawa ist das schon heftig gewesen, aber Miike toppt das Ganze noch. Wo der Altmeister im Vergleich bisher haushoch führte, da holt Miike in den Schlachtenszenen gnadenlos auf. In fast 45 Minuten Filmzeit zelebriert der Japaner das Abschlachten der Gegner in gekreuzten Schwertern und mit spritzendem Blut. „13 Assassins“ beginnt schleppend, da wirkt die Schlacht in dem kleinen Dorf fast schon wie eine Rechtfertigung: Endlich geht es los! 13 gegen 200 – gnadenlos gehen die Samurai gegen ihre Gegner vor. Vielleicht hin und wieder nicht gerade ehrenhaft, aber es ist die übergeordnete Ehre – die Befreiung des Landes von dem Tyrann – die solche Mittel rechtfertigt.
Jetzt klingt das hier natürlich schwer danach, als müsste man Kurosawas „Die Sieben Samurai“ gesehen haben, um an „13 Assassins“ seine Freude zu haben, aber dem ist nicht so. Ich wollte damit nur zeigen, dass sich Miike in würdiger Weise vor dem Altmeister verneigt, auch wenn er die ein oder anderen Kniffe nicht ganz so gut hinbekommt. Der Film fängt wirklich sehr schwerfällig an, aber da muss man durch, wenn man ein paar wirklich gute Fights sehen will. Erst der Samurai-Ehrenkodex und dann das Gemetzel. So und nicht anders rum.
„13 Assassins“ ist trotz all der Kurosawa-Verweise ein echter Miike, denn er wird seine Zuschauer spalten, er macht es seinen Zuschauern nicht leicht und er macht aus dem gewalttätigen Akt am Ende des Films kein bloßes Gemetzels, sondern eine ehrwürdige und selbstlose Tat der 13 Samurai. Gewalt ist halt nicht einfach nur Gewalt bei Miike.
Wertung: 7 von 10 Punkten (Samurais reden erst lange über Ehre und lassen dann fulminant Taten folgen)
Klingt gut. Kommt auf die Liste.
😀 Listen… schreckliche Erfindung. Meine Film-Liste ist schon so unendlich lang und jeden Tag kommt was Neues drauf. 😉
Hilft ja nix… 😉
Aha, da stehen ja schonmal zwei neue (beziehungsweise Kurosawa schon ein bekannter) Name im Raum, deren Werk ich zumindest mal streifen sollte – wenn ich bei Chan-wook Park zufrieden das Kapitel zuschlagen konnte, versteht sich.
Takashi Miike hat so einiges zu bieten – von unappettlich bis ansehnlich. Der hat jedes Genre einfach mal mitgenommen. Und bei Kurosawa sage ich nur: Schau dir zu allererst die „Star Wars“-Vorlage „Die Verborgene Festung“ an.
Hast du die Blu-ray angesehen? Lohnt sich die? Gibt’s heute für EUR 8,99 bei Amazon… Bin schon irgendwie versucht zuzugreifen… 😉
Leider nur normale DVD, aber bei 8,99 für die Blu-ray würde ich einfach mal zugreifen 😉
Jetzt hab ich’s verpasst… -.- Bin zu verpeilt in letzter Zeit.
Kommt wieder, keine Sorge 😉
Heute für 7,97 -> zugeschlagen 😉
Sehr gut!!! 😉 Ich bin auf dein Urteil gespannt!