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Der Mann, die Frau und die Katze

16. Januar 2012

Was würde uns nicht alles erspart bleiben, wenn die Amerikaner auch so eine Synchronisationskultur hätten wie wir. Die haben ja das Problem, dass so gut wie jeder nicht englisch-sprachige Film dort nur mit Untertiteln in ausgewählte Kinos kommt. Aber wer möchte sich schon ständig mit Lesen beschäftigen, wenn man doch eigentlich ins Kino geht? So richtig niemand… vor allem nicht ständig. Und so gehen viele Filme am amerikanischen Publikum vorbei, ohne einen richtigen Eindruck zu hinterlassen. Für Hollywood ist das natürlich umso besser, denn dann können sie aus den wirklichen guten ausländischen Stoffen ein Remake machen. Schließlich locken Namen wie David Fincher und Daniel Craig dann auch eher noch ein paar mehr Leute ins Kino als die Namen Niels Arden Oplev und Michael Nyqvist.

Natürlich, wie sollte es auch anders sein, sieht der gute Mr. Fincher in allen möglichen Interviews davon ab, seinen Film „Verblendung“ als ein Remake zu bezeichnen. Viel mehr sei es ja seine Interpretation des Romans von Stieg Larsson. Dass es bereits vor nur ein paar Jahren bereits eine sehr erfolgreiche Verfilmung gab, hilft natürlich trotzdem. Inwieweit sich Fincher jetzt tatsächlich näher am Roman entlang arbeitet, vermag ich nicht zu sagen, die Vergleiche zum 2009 erschienenen schwedischen Film sieht man aber dennoch sehr deutlich.

Die Geschichte ist die gleiche und doch anders: Der Redakteur der Zeitschrift „Millennium“ Mikael Blomkvist (Daniel Craig) hat gerade einen Prozess, seinen Ruf und eine Menge Geld verloren. Da kommt das Angebot des Unternehmers Vanger (Christopher Plummer) gerade Recht: Blomkvist soll unter dem Vorwand, Vangers Memoiren zu schreiben, den Fall seiner vermissten Nichte Harriet untersuchen. In einem kleinen Häuschen (dieses Mal mit einer süßen Katze dabei) baut Blomkvist sein Hauptquartier auf, holt sich irgendwann die junge Hackerin Lisbeth Salander (Rooney Mara) an Bord und entdeckt, dass es um mehr geht als nur um Harriet.


Braucht man diesen Film nun oder braucht man ihn nicht, das ist die alles entscheidende Frage. Und ich muss sagen, ich finde sie schwer zu beantworten. Für diejenigen, die das schwedische Original kennen, gibt es keine sonderlich großen Überraschungen. Fincher hält sich so in etwa an den Ablauf, verändert hier und da ein paar Kleinigkeiten… schließlich soll es ja kein 1:1-Remake werden. Aber, wie heißt es so schön: Der Teufel steckt im Detail und gerade Kenner des Originals werden sich an einigen Stellen schon etwas ärgern.

David Finchers „Verblendung“ ist ein guter Thriller. Wenn ich das Original nicht gekannt hätte, dann hätte ich mich sogar dazu hinreißen lassen können, ihn als genial zu bezeichnen. Aber so bleibt Fincher nur gut. Technisch ist „Verblendung“ einwandfrei inszeniert. Besonders gut gefallen hat mir sogar die Tatsache, dass Finchers Auflösung in sich etwas schlüssiger und präziser ist als im Original. Fincher setzt auf ein paar mehr Rückblenden, etwas genauere Erklärungen… es ist fast so, als hätte er Angst, sein Publikum könnte irgendeinen Teil nicht so richtig verstehen: Also erklären wir es lieber ganz ausführlich. Dadurch geht ihm am Ende so ein bisschen die Luft raus. Da, wo eigentlich die meiste Action passiert, bleibt Fincher zu ruhig. Am Ende muss doch alles Schlag auf Schlag gehen, aber nach der langen Einleitung scheint Fincher seinen Einsatz ein wenig zu verschlafen.

Ganz besonders verschlafen hat Fincher aber seinen Einsatz bei den Figuren. Gut, über Daniel Craig als Mikael Blomkvist könnte man sich streiten. Während das schwedische Original wirklich der Normalo-Typ von nebenan war, wirkt „Mr. Bond“ ein wenig zu durchtrainiert, ein wenig zu abgehärtet (rein körperlich). Ohne solchen Vergleich kann man allerdings nur gratulieren: Mit Mikael Blomkvist hat Daniel Craig möglicherweise seine bisher sympathischste Rolle gefunden.

Aber halten wir uns nicht mit Blomkvist auf, denn eigentlich ist auch er nur eine Nebenrolle. Die große Herausforderung für Fincher muss es gewesen sein, die richtige Lisbeth Salander zu finden. Mit Rooney Mara, die in „The Social Network“ mal kurz Hollywood-Luft schnuppern durfte, glaubt Fincher, sie gefunden zu haben. Maras Salander ist im Vergleich zu Noomi Rapace etwas sanfter, etwas weiblicher, etwas kindlicher. Sie bleicht sich die Augenbrauen, hat ihr Dragon-Tattoo (das bei weitem nicht so cool aussieht wie im Original), ihre Piercings… äußerlich ist alles da, aber innerlich erfahren wir wenig über Lisbeth. Im Gegensatz zu Oplev schafft es Fincher nicht, seine Lisbeth voll auszubauen. All das, was das Original über ihre Vergangenheit in kleinen Bruchstücken zeigt, fehlt in Finchers „Verblendung“. Auch die Ermittlerin Lisbeth, die im Original zur wichtigsten Grundlage für Blomkvist wird, bleibt außen vor. Den allerwichtigsten Hinweis liefert im Remake Blomkvist bibeltreue Tochter. Irgendwie verkommt Lisbeth zu einer winzigen Nebenfigur, die viel zu weich herüberkommt. Noomi Rapace war ruppig und hart, aber auch sexy. Rooney Mara muss sich zwar auch gegen die Männerwelt behaupten, sobald sie aber ihren Blomkvist gefunden hat, wird sie ein Schmusekätzchen.

Auch hier stinkt wieder alles nach Hollywood: Viel zu schnell und zu offensichtlich lässt Fincher seine beiden Ermittler so etwas wie ein Pärchen werden, die sich gemeinsam die Zigarette danach teilen. Im Original war es gerade dieses Zusammentreffen zweier so krasser Gegensätze, die die Beziehung zwischen Lisbeth und Mikael so interessant gemacht hat. Doch diese Gegensätze verschwinden bei Fincher fast augenblicklich mit dem ersten Treffen der beiden. Und damit verliert der Film seine größte Anziehungskraft.

Von der Bildsprache her, von seiner Darstellung eines dunklen Schwedens, ist Finchers „Verblendung“ wirklich ausgezeichnet. Er erzählt die Geschichte eigentlich auch relativ schlüssig, doch beim wichtigsten rutscht er dann zu sehr in das Hollywood-typische Schema ab: Darf es denn keine starke Frau neben einem Mann geben?

Wie gesagt, wenn ich das Original nicht gekannt hätte, wäre ich schwer begeistert gewesen. Doch die Erkenntnis, dass gerade eine Lisbeth Salander so extrem dargestellt werden kann wie von Noomi Rapace, machte es mir schwer, mit Rooney Mara klar zu kommen. Alles in allem ist Finchers „Verblendung“ sehr gelungen, aber im Angesicht des Originals vollkommen überflüssig.

Wertung: 7 von 10 Punkten (gelungener Thriller, der wohl aber nur „Unwissende“ wirklich begeistern wird)

P.S.: Wirklich großes Lob verdient Fincher aber schon für eine Sache – der Vorspann ist der absolute Hammer. Diese krassen Bilder vereint mit einer Version von Led Zeppelins „Immigrant Song“ wirken noch lange nach. Sehr gelungen.

17 Kommentare leave one →
  1. 16. Januar 2012 10:10

    Du vergleichst andauernd den neuen Film mit dem alten Film, und den alten Film bezeichnest du als Original, was ja richtig ist, filmisch, aber an sich ist das Buch das Original.

    Und da verhält es sich nun mal so, dass Fincher sich näher ans Buch hält – daher auch die Katze und ihr unrühmliches Ende sowie auch die Schwester mit ihrem Bibeltipp. Wenn du kritisierst, dass wir zu wenig über Lisbeth erfahren, dann in Unkenntnis, das wir das im Buch auch nicht tun und die Originalverfilmung ganz einfach vorgegriffen hat.

    Ansonsten gebe ich dir Recht, leider kommt Noomi nicht an Rooney heran, was aber egal ist, denn auch sie liefert eine starke Leistung ab, was für mich den Film insgesamt auch besser macht als das schwedische Original. Meine Review folgt wahrscheinlich heute Abend.

    • donpozuelo permalink*
      16. Januar 2012 10:58

      Mit irgendwas muss ich das Ganze ja vergleichen. Und egal, wie sehr man meint, man würde ein Buch verfilmen, schauen die meisten dann doch eher auf den Film. Meine Unkenntnis in Bezug auf das Buch soll dadurch natürlich auch überspielt werden 😉 Aber gut zu wissen, dass die Mieze im Buch vorkommt. Allerdings muss ich sagen, dass ich es besser fand, als der Bibeltipp von Lisbeth kam. Hat der Figur irgendwie mehr gegeben.

      Ich entschuldige mich für meine Unwissenheit, bleibe aber dabei, dass mir der schwedische Film um Längen besser gefallen hat. auch wenn Fincher sich mehr am buch orientiert.

      • 16. Januar 2012 11:26

        Ich wollte jetzt keine Entschuldigung provozieren, viel mehr wollte ich dir ja nur deutlich machen, woher die Unterschiede kommen. Im Gegenzug tut es mir leid, wenn das vielleicht etwas „altklug“ daher kam. Das Original besser zu finden ist ja auch dein gutes Recht 😉

        • donpozuelo permalink*
          16. Januar 2012 11:30

          Nein, du hast ja Recht. Wenn du aber sagst, dass Fincher dichter am Buch dran ist, dann scheint sich das „Original“ ja schon eine Menge Freiheiten gegönnt zu haben. Freiheiten, die ich so dann doch irgendwie sehr begrüße. Freiheiten, die Fincher sich vielleicht auch hätte nehmen sollen.

          Mmh…. vielleicht sollte ich doch einfach mal das Buch lesen 😀

        • 16. Januar 2012 11:39

          Daher vermutlich auch unsere unterschiedliche Wahrnehmung des Films: Ich mag Finchers Variante lieber, weil er sich näher ans Buch hält, welches ich kenne, du die Schwedenversion, die sich auf das Wesentliche konzentriert und dem die Buchkenntniss relativ egal ist.
          Und sollte sich jemals jemand über das Product Placement aufregen: Selbst da ist Fincher nahe am Buch, da mir das selbst dort schon aufgefallen ist…

  2. 16. Januar 2012 10:11

    Oha! Na damit zerstört sich nun auch meine Hoffnung, dass Fincher sein ganz eigenes Ding gedreht hat. Ich mochte das Original auch sehr und hatte mir von Fincher eher noch mehr Düsternis erwartet/erhofft, die er ja bereits in „Seven“ gezeigt hat.

    • donpozuelo permalink*
      16. Januar 2012 11:01

      Ja, ich hatte auch gehofft, dass gerade Fincher vielleicht noch ein wenig mehr aus Lisbeth macht, aber gerade in seinen Figuren wird er zu sehr Hollywood. Dass die beiden so schnell zueinander finden, war nicht sonderlich clever gelöst.

      • 16. Januar 2012 11:33

        Aber es war doch (zeitlich) nicht schneller als im anderen Film oder? Oder meinst du, dass Lisbeth zuerst abweisender hätte sein sollen und sie zu schnell Vertrauen fasste?

        • donpozuelo permalink*
          16. Januar 2012 11:55

          Genau das meine ich! Irgendwie ging mir das gerade von ihrer Seite aus eine Nummer zu schnell.

  3. 17. Januar 2012 00:14

    Mir gefällt der Film 😀
    Ohne die Figur von Mikael aus dem Buch zu kennen, fand ich Daniel Craig zumindest körperlich gesehen etwas falsch besetzt. Von seinem Bond-Gesicht kommt er allerdings nie ganz los, fand ich.

    • donpozuelo permalink*
      17. Januar 2012 09:31

      Mein Reden! Craig ist mir auch eine Nummer zu durchtrainiert gewesen. Da war mir Michael Nyqvist echt lieber. Trotzdem finde ich, dass es auch irgendwie eine sehr passende Rolle für Craig ist.

  4. 28. Januar 2012 23:21

    Wie gesagt, den muss ich mir stark überlegen, aber irgendwie reizt es mich schon reinzusehen :))

    • donpozuelo permalink*
      29. Januar 2012 18:10

      Die Frage ist, ob du den schwedischen Film schon kennst oder nicht. Wenn ja, dann würde ich es mir tatsächlich überlegen. Wenn nein, dann immer rein in den Film. 😉

      • 29. Januar 2012 18:30

        Natürlich, ich war in allen drei schwedischen Originalen. Hatte ja erzählt, dass ich den ersten eigentlich sogar ziemlich schlecht fand, trotz einer guten Noomi Rapace.

        • donpozuelo permalink*
          29. Januar 2012 20:28

          Ui. Na dann könnte dir Finchers Variante vielleicht doch gefallen 😀 Wer weiß. Es ist – wie gesagt – kein schlechter Film. Im Gegenteil. Nur hatte mir der schwedische Film einfach besser gefallen.

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