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Frau gesucht!

2. Dezember 2011

Ich bin ein neugieriger Filmegucker. Grundsätzlich bin ich offen für alles, wenn man es mir empfiehlt. Interessanter wird es da schon bei Filmen, die in der Kritik eher schlechter abschneiden. Manchmal befolge ich den Rat und lasse die Finger davon. Aber gerade die Filme, die Kritiker und Fans spalten, sind für mich immer ein gefundenes Fressen. Wenn die einen sagen: „Dieser Film ist kompletter Mist und Zeitverschwendung“ und die anderen das Ganze als große Kunst feiern, bin ich gefangen. Ein Film, der sein Publikum so teilt, ist für mich ein Film, den ich selber sehen muss. So geschehen bei „Antichrist“, „Sucker Punch“ oder zuletzt „The Human Centipede“. Bei zwei von den drei genannten Filmen hätte ich mir dann zwar doch irgendwie gewünscht, weniger neugierig zu sein. Aber es gibt halt auch den einen Film, den man dann wider Erwarten gar nicht mal so schlecht findet. Und so werde ich wohl weiterhin hellhörig werden, wenn ein Film die Kritiker spaltet.

Einer, der sowieso mit fast jedem seiner Filme für Kontroversen sorgt, ist der Japaner Takashi Miike. Ich erinnere mich nur grob daran, mal Ausschnitte aus seinem „Ichi, the Killer“ gesehen zu haben. Danach hatte ich das starke Bedürfnis nach frischer Luft und Trickfilmen mit rosaroten Ponys. Ein weiterer Film, den ich mir jetzt endlich mal angesehen habe, hat Miike international bekannt gemacht. Es ist ein Horrorfilm, der irgendwie gar kein Horrorfilm ist. In „Audition“ will der Geschäftsmann und Witwer Aoyama (Ryo Ishibashi) eine neue Frau in seinem Leben. Durch einen befreundeten Produzenten will er den Prozess des Kennenlernens verkürzen. Aoyama veranstaltet ein Casting für einen Film, der natürlich nie gedreht wird. Von Anfang an hat Aoyama eine Favoritin: Die junge Asami (Eihi Shiina). Die beiden kommen sich auch tatsächlich näher, aber nach einer gemeinsamen Nacht ist Asami plötzlich verschwunden. Die Suche nach ihr endet meistens in Sackgassen und wirft mehr Fragen über Asami auf, als Aoyama lieb ist.

„Audition“ wird weitesgehend als Horrorfilm bezeichnet, aber ist der Film wirklich ein Horrorfilm? Gut, viel diskutiert wird diese eine fiese Folterszene – aber Folterszenen machen noch keinen Horrorfilm. Zumal diese heiß diskutierte Folterszene jetzt für den hartgesottenen Fan auch nichts wirklich Schockierendes bietet. Ein wenig abgedreht wird „Audition“ aber schon und erinnerte mich dann weitesgehend an einen Lieblingsregisseur der abgedrehten Filme. Nachdem diese ganze Casting-Geschichte und die kleine Romanze dahinter mit dem Verschwinden von Asami abgeschlossen ist, wird „Audition“ zu einer Art japanischem David Lynch Film. Aoyama lernt merkwürdige Gestalten kennen und erfährt einige schreckliche Details aus Asamis Vergangenheit. Er gerät immer tiefer in einen Strudel aus absurden, widerlichen Geschichten. Hier entfaltet Takashi Miike sein wahres Können und widersetzt sich dem Zuschauer, alles erklären zu müssen.

Das fängt allein schon damit an, dass man ab dem Beginn von Aoyamas Nachforschungen nicht mehr sagen kann, was Wirklichkeit und was womöglich nur ein Traum gewesen ist. Miike springt von Szene zu Szene, lässt immer wieder Asamis Vergangenheit aufblitzen, verwickelt Aoyamas Realität mit den Geschichten über seine große Liebe. Es ist schlimm: „Audition“ wird zu einer Art Wachkoma. Kaum hat man die eine Szene überstanden, befinden wir uns wieder woanders und immer bleibt die Frage: „Was war jetzt Wirklichkeit?“ Das alles macht zwar einen durchweg interessanten Film, aber irgendwie noch keinen Horrorfilm. Zudem beschränkt sich der wirklich gute Teil von „Audition“ auf die letzten 30-40 Minuten. Davor wirkt das Ganze eher wie schlechter Liebesfilm über einen älteren Mann, der noch einmal Liebe erfahren möchte.

Warum nun ausgerechnet „Audition“ zu so einem heißdiskutierten Takashi Miike-Film geworden ist, vermag ich nicht zu sagen. Der Film hat sicherlich seine Berechtigung im Universum von Miikes Filmwelt, aber herausragend ist er nicht. Dieses Vermischen von Realität und Traum ist Miike aber durchaus gelungen. Und am Ende sitzt man vorm Fernseher wie nach einem David Lynch und wundert sich, was das jetzt genau für ein Film war, den man gerade gesehen hat.

Wertung: 6 von 10 Punkten (es bleibt die Frage offen, ob Filmemacher Miike uns mit diesem Film irgendwas bestimmtes/ persönliches mitteilen möchte 😉 )

4 Kommentare leave one →
  1. 2. Dezember 2011 07:01

    Deinen Einleitung erwähnt genau den Grund, warum ich dich so mag. Du hast deinen eigenen, unbeinflussten Filmgeschmack. Viele andere ‚Filmkritiker‘ eifern sich ja augenscheinlich nur noch nach und verteufeln Genres oder Regisseure per se.

    Ergo: High Five.

    • donpozuelo permalink*
      2. Dezember 2011 12:44

      Danke, Danke!!!

      Das Einzige, was ich verteufle, ist der deutsche Film. Da kriegt mich wirklich nichts rein und von dieser Meinung kann mich (leider Gottes) auch nichts abbringen.

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