Liebe, Gott und Schoko-Hot Dogs
Es soll ja mal Zeiten gegeben haben, in denen sich die Menschen Briefe schrieben. In Zeiten von facebook und Smartphones fast schon undenkbar. Und mein Briefkasten beweist mir jeden Tag aufs Neue: „Ja, es schreibt wirklich keiner mehr Briefe!“ Außer Werbung und Rechnungen bleibt mein Kasten leer. Aber hey, elektronische Post hat doch auch was: Doch auch bei meinen E-Mails gibt es außer Werbung und Rechnungen nicht viel zu lesen. Hat den wirklich keiner mehr was zu erzählen, was nicht gleich die ganze Welt auf der facebook-Pinnwand erfahren soll? Also gut, die Hoffnung stirbt zum Schluss, aber auch auf facebook bekomme ich nicht sonderlich viel „Post“. Wozu lange was schreiben, wenn’s auch in Kurzform als Kommentar geht? Der Brief an sich scheint wohl echt tot zu sein. Zum Glück für die Post gibt’s noch genügend Internet-Shopping-Seiten, so dass sie wenigstens noch Pakete verschicken können. (Würde mich ja statistisch echt mal interessieren, wie sehr sich das Verhältnis Brief-Paket in den letzten Jahren gewandelt hat.)
Bei diesem Brief-Sterben scheint es ja fast schon albern, hier jetzt noch auf das Thema Brief-Freunde zu sprechen zu kommen. Ich musste diese Erfahrung auch nur einmal machen – damals im Russisch-Unterricht. Wir sollten einen Brief an eine uns vollkommen unbekannte Person schreiben (gut, den Namen gab’s noch dazu), etwas über uns erzählen und so… auf Russisch. Klar, hat’s da drei Tage gedauert, nur um zu schreiben, wer ich bin, wo ich wohne und dass das Wetter hier toll ist. Eine Antwort ist man mir da aber bis heute immer noch schuldig. Brief-Freunde… pah, wer braucht sowas schon, wenn man facebook-Freunde hat?
Aber facebook gab’s nicht immer, und wer nun einen Film zum Thema Brieffreundschaft und Briefe schreiben machen will, der kann das gerne tun, lässt seinen Film dann aber zur Sicherheit lieber in den 70er Jahren spielen. So funktioniert dann auch das Briefe-Schreiben-Konzept noch recht glaubwürdig. In „Mary & Max“ geht es nämlich genau darum: Ein Film über eine Brieffreundschaft! Mary ist acht Jahre alt und lebt in Australien. Die Mutter säuft Sherry wie Saft, der Vater präpariert à la Norman Bates Vögel in seiner Garage. Mary ist also ziemlich allein. Eines Tages entscheidet sie sich, einer anderen Person einen Brief zu schreiben. Ihre Wahl fällt auf Max. Max lebt in Amerika, hat Übergewicht und ist so um die 40. Er hat ebenfalls keine Freunde, was aber leider daran liegt, dass Max unter dem Asperger-Syndrom leidet und mit sozialen Kontakten Probleme hat. Die hat er auch mit Marys Brief, doch er überwindet sich und schreibt ihr zurück. Eine Brieffreundschaft mit Höhen und Tiefen beginnt.
Ich gebe zu, ich war anfangs etwas irritiert. Nicht weil der Film irgendwie schwer verständlich wäre, sondern weil ich komplett falsche Erwartungen an diesen Film hatte. Das einzige, was ich vorab wusste, war die Tatsache, dass „Mary & Max“ ein Knet-Figuren-Film ist, der mit bester Stop-Motion-Manier gedreht wurde. Bei Knetfiguren denke ich an „Wallace & Gromit“ oder „Chicken Run“ – Filme für Kinder halt, die witzig sind, über die man nicht sonderlich viel nachdenken muss. Filme, die ich mir einfach wegen ihrer Machart schon wahnsinnig gerne anschaue.
Gut, in Punkto Machart serviert „Mary & Max“ das, was ich erwarte.133 separate Sets, 212 Puppen und 475 Mini-Gegenstände wurden in über einem Jahr zu einem tollen Knet-Film verarbeitet. „Mary & Max“ liefert eine skurrile, kleine Welt voller liebevoll gefertigter Animationen. Damit hört der kindgerechte Teil aber auch schon auf.
„Mary & Max“ setzt sich sehr kritisch mit dem Leben seiner Hauptfiguren auseinander. Während Mary zwar noch die typischen Außenseiter-Kind-Probleme hat (keine Freunde, außer die im Fernsehen), wird mit der Figur von Max das Erwachsenen-Leben näher beleuchtet und seine Krankheit. Mary und Max reden außerdem über Liebe, philosophieren über Gott und die besten Möglichkeiten, mit den Schwierigkeiten ihres Lebens fertig zu werden. Dabei schlägt der Film auch mehr als einmal sehr düstere Töne (Selbstmord, Psychiatrie, etc.) an, was sich dann auch in den Bildern niederschlägt. Teilweise sind die sehr düster, besonders Max‘ New York erinnert an Bilder aus einem klassischen Film Noir: fast schon schwarz-weiße, dunkle Häuserschluchten und ein einsamer Mann mitten drin.
„Mary & Max“ ist eine tragisch-komische Geschichte, die mal wahnsinnig traurig, dann irre komisch und schließlich traurig-rührend ist. Getragen wird diese Brieffreunde-Geschichte durch diesen extremen Wandel der Emotionen. Manchmal gibt’s tiefschwarzen Humor und mal dicke Tränen. Man leidet mit diesen Figuren als wären sie aus Fleisch und Blut, dabei sind sie nur aus Knete.
„Mary & Max“ ist ein wunderschönes Filmkleinod über eine wahre Freundschaft, die keine Grenzen kennt.
Wertung: 9 von 10 Punkten (Knet-Figuren so lebendig und rührend wie nie)
Düster ja, aber ich fand den Film tendenziell doch eher lustig denn traurig. Nicht dass ich mich beschweren würde, denn er trifft durchaus meinen Humor, was wohl auch nicht jedem so gehen wird. 😉
Er hat schon seine traurigen Stellen, man kann aber sehr viel darüber lachen. Meinen Humor hat’s auch durchaus getroffen. Ein schöner Film einfach!!!
Schwarzer jüdischer Humor wie ich ihn liebe…btw. hast du „The Infidel“ gesehen?
Schwarzer jüdischer Humor aus Australien… noch besser 😉
„The Infidel“ hab ich leider nicht gesehen. Ähnlich gut, nur mit echten Schauspielern???
…Nur soviel ein Moslem findet heraus, dass er eigentlich Jude ist 😉
Klingt gut!!! Klingt sehr gut!!! Wird sich gemerkt! Deutscher Titel ist doch „Alles Koscher!“, oder nicht???
Maybe…i don’t watch movies in german you know 😉
Me neither!!! Well, I try, but sometimes…
Hmm. Womit mir in den Sinn kommt, dass ich den eigentlich mal bestellt habe.
Mysteriös.
Sehr mysteriös. Sollte der etwa in den weiten deines DVD-Regals verschwunden sein???