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Badehaus der Götter

6. Juli 2011

Es ist, wie es ist: Mit japanischen Trickfilmen konnte ich früher nie viel anfangen. „One Piece“ beispielsweise ist eine Serie, die ich erst jetzt richtig zu schätzen gelernt habe. „Dragon Balls“ habe ich auch nur hin und wieder mal geschaut – irgendwie war mir das alles immer etwas zu überladen, zu viel Gerede pro Folge und zu wenig Kämpfe. Von daher hat es auch lange gedauert, bis ich mich japanischen Zeichentrickfilmen angenähert habe. Aber dann ist es doch passiert und ich glaube, wie bei so vielen Menschen war es Hayao Miyazaki, der mich „meiner Unschuld“ beraubte. Und das ist auch gut so. Im Vergleich zu dem, was ich an japanischen Animes bis jetzt so gesehen habe, ist Miyazaki genau der Richtige für einen guten Einstieg.

Okay, eingestiegen bin ich bei Miyazaki mit „Prinzessin Mononoke“ – ein toller Film, den ich nur jedem empfehlen kann. Für viele dürfte aber ein anderer Film von Bedeutung sein mit dem etwas holprigem Namen „Chihiros Reise ins Zauberland“. Der Film erhaschte Auszeichnung über Auszeichnung, gewann den Goldenen Bären 2002 in Berlin und 2003 sogar den Oscar als bester Animationsfilm. Die größte Ehrung ist aber wohl, dass sich die Amerikaner die Mühe machten, den Film zu synchronisieren – etwas, was nur mit wenigen ausländischen Filmen gemacht wird (alles andere gibt’s dann als Remake, falls es erzählenswert ist).

Und das alles ist auch durchaus verdient: „Chihiros Reise ins Zauberland“ ist ein… ja, wie soll man es anders beschreiben: ein zauberhafter Film. Es ist Miyazakis ganz eigene Fassung von einer „Alice im Wunderland“: Die kleine Chihiro zieht mit ihren Eltern um. Auf dem Weg ins neue Zuhause gelangen sie durch einen Tunnel in eine verlassene Stadt. Hier benehmen sich Chihiros Eltern wie Schweine, bedienen sich ohne zu fragen an einem riesigen Buffet und werden daraufhin tatsächlich in Schweine verwandelt. Chihiro aber wird von dem jungen Haku gerettet. Um in dieser Welt zu überleben, muss Chihiro bei der Hexe Yubaba einen Job annehmen – ein Job als Wäscherin in einem Badehaus der Götter. Nur mühsam findet sich Chihiro in dieser fremden Welt zurecht, aber mit der Zeit wird sie mutiger und entschlossener dieser Welt zu entfliehen. Doch dafür muss sie ihre Eltern befreien.

Man kann es nicht anders sagen: Miyazaki ist der geborene Märchenerzähler. Was er in einer Geschichte erzählt, würden manche in mehrere packen. Dennoch wirken seine Geschichte nie überladen oder aufdringlich. So auch bei „Chihiro“. Jede einzelne Figur hat echt Charakter, sei es die fiese Hexe Yubaba, ihre drei hüpfenden Köpfe oder irgendwer sonst aus diesem Badehaus. Sie sind nie eindimensional. Das mag ich an Miyazakis Figuren so: sie sind trotz all ihrer Skurrilität glaubwürdig und allesamt liebenswert. Und Miyazaki erschafft Disney-mäßige Sidekicks, die es fertig kriegen, tausendmal lustiger zu sein als die Viecher bei Disney. Dafür müssen sie nicht einmal sprechen. Wer braucht das auch schon, bei einer dicken Ratte (?) und einem kleinen fliegenden Wollknäuel… die Figuren sprechen für sich und bringen mich immer wieder zum Lachen.

Unter all diesen Wesen muss Chihiro entdecken, dass sie alles so nehmen muss, wie es kommt. Vorurteile bringen hier nichts, denn egal wie ein Wesen, ein Gott oder ein Geist auch aussehen mag, was ihn ausmacht, sind seine Taten. Das lernt auch die kleine Chihiro und macht sich dran, hart für sich und für ihre Eltern zu schuften. Dabei lenkt Miyazaki seine kleine Heldin in alle Richtungen, bevor sie die Lösung findet. Wir erleben dadurch eine bunte Welt voller Geister und Götter.

„Chihiros Reise ins Zauberland“ ist eigentlich der perfekte Miyazaki-Film, der wirklich zeigt, das der japanische Altmeister ein toller Geschichtenerzähler mit sehr, sehr viel Fantasie ist.

Wertung: 9 von 10 Punkten (ich will auch ins Zauberland!!!)

28 Kommentare leave one →
  1. gertjeedelmann permalink
    6. Juli 2011 08:11

    Aber sehen die Trickfiguren nicht alle gleich aus? Egal welchen Film man guckt? Das betrifft ja nicht nur „rein“ Japanische Produktionen, sondern auch alles, was in Japan gezeichnet wurde. Da kann die Geschichte noch so gut sein, diese Gleichförmigkeit stört mich doch zu sehr. Eigentlich mag, oder sollte ich lieber sagen, mochte ich Trickfilme sehr, auch und gerade gezeichnete, aber seit ein paar Jahren fehlt mir da die Vielfältigkeit.

    • donpozuelo permalink*
      6. Juli 2011 10:10

      Willkommen!!!

      Das würde ich nun gar nicht sagen. Die Figuren mögen sich vielleicht hin und wieder in ihrer Form ähneln, aber deswegen alles mit Gleichförmigkeit abzustempeln, wäre den Filmen gegenüber nicht gerecht. Gerade in den japanischen Filmen besitzt jede noch so kleine Figur so viel Charme und Charakter, dass man sich in den Filmen und mit den Figuren sehr wohl fühlen kann.

      • Owley permalink
        6. Juli 2011 10:16

        Jup, ich hatte anfangs auch diese Bedenken, aber gerade bei einem Miyazaki gibt es eine unglaubliche Verschiedenheit, you’ll see 🙂

        • donpozuelo permalink*
          6. Juli 2011 10:20

          Japp, genau richtig!!!

  2. Owley permalink
    6. Juli 2011 08:53

    Einer der besten Ghibli-Filme, fand ich nach Erstsichtung noch arg verwirrend und eher schlecht, heute ist er einer derjenigen, die mich am meisten verzaubern kann. Und ja, die Figuren sind wirklich gut. 🙂

    • donpozuelo permalink*
      6. Juli 2011 09:24

      Ich fand den Film von Anfang an super. Ich war schon damals sehr verzaubert und das ist bis heute so geblieben. Könnte den Film auch immer wieder und wieder anschauen.

      • Owley permalink
        6. Juli 2011 10:02

        Ne, das ging mir wirklich eine Weile anders, siehe diesen Beitrag (http://plopper.wordpress.com/2010/09/21/hayao-miyazaki-filme/). Aber eben, bei der Zweitsichtung fand ich ihn viel besser. Dafür fand ich „Laputa“ wiederum DEUTLICH schlechter. 😉

        • donpozuelo permalink*
          6. Juli 2011 10:10

          Meinst du mit „Laputa“ „Das Schloss im Himmel“? Wenn ja, dann kann ich dir da nur zustimmen. Die Idee fand ich zwar gut, aber der Film an sich war schon etwas schwerfällig.

      • Owley permalink
        6. Juli 2011 10:17

        Jup. War zu faul um DSIH (jetzt wieder :P) zu schreiben. Ich fand es bis zur Mitte unterhaltsam, dann artete es aus. :/

  3. 6. Juli 2011 15:37

    Keine Erwähnung des Ohngesichts? Ansonsten: Sehe ich genauso. Nuff said.

    • donpozuelo permalink*
      6. Juli 2011 15:47

      Ich wollte jetzt nicht alle Charaktere verraten, aber natürlich ist auch das Ohngesicht eine tolle, sehr skurrile Figur. 😉

  4. 6. Juli 2011 17:10

    Den Film habe ich vor 4-5 Wochen zum ersten Mal gesehen. Die Charaktere sind so unheimlich treffend und stark in diesem Film. Hayao Miyazaki beweist da wirklich viel Fingerspitzengefühl und Lebensweisheit. Absolutes Meisterwerk.

    • donpozuelo permalink*
      6. Juli 2011 17:11

      Zum ersten Mal gesehen??? Hat ja lange gedauert, bis das bei dir angekommen ist 😉 aber besser später als nie!!!

      • 6. Juli 2011 19:02

        Also jetzt aber! Das klingt ja so, als würde ich hinter dem Mond leben. Immerhin habe ich schon vor 16 Monaten darüber gebloggt. Hust. Dass der Film im Fernsehen kommt. 😉

        http://www.astronautenbar.de/2010/03/23/hayao-miyazaki-themenreihe-auf-arte/

        • donpozuelo permalink*
          6. Juli 2011 19:39

          So war’s nicht gemeint. Aber du darfst dich bald rächen (hab jetzt endlich die Layton-Spiele gespielt und den Film dazu gesehen – da kommt also bald was 😉 )

      • 6. Juli 2011 20:20

        Ach, Rache! Gar nicht mein Stil 🙂 Außerdem kenne ich den Layton-Film auch nicht 😉 Bin gespannt!

      • Owley permalink
        6. Juli 2011 23:15

        Und wegen deinem Beitrag, Benno, habe ich wiederum die Miyazaki-Filme erst richtig entdeckt 😉

      • 7. Juli 2011 15:18

        „Der Kreis schließt sich! Als ich euch verließ war ich euer Schüler, jetzt bin ich der Meister!“ …na, welcher Film? 🙂

        Als ich vor 10 Minuten nach „Yoann Lemoine“ für einen Beitrag in der Astronautenbar gegoogelt habe, bin ich auf Ploppers Wörld gelandet!! Dorst stand genau das, was ich schreiben wollte. Ehrlich wahr. 🙂

      • Owley permalink
        7. Juli 2011 15:40

        Only a Master of Evil, Darth! (ausm Stehgreif, ha? :P)

        Und freut mich, der Typ hats richtig drauf! 🙂

  5. 7. Juli 2011 16:45

    Defintiv Myazakis bester Film den ich mir aus unerfindlichen Gründen sogar lieber noch auf Deutsch asnsehe 😛

    • donpozuelo permalink*
      7. Juli 2011 18:21

      Bei der Synchronisation haben die sich bei diesem Film echt viel Mühe geben, das stimmt. Sehr passende Sprecher für jede einzelne Figur. Aber anders als auf Deutsch habe ich den Film ehrlich gesagt auch noch gar nicht gesehen.

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