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If I had a hammer…

2. Mai 2011

Wie heißt es immer so schön: „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“ Wer was gut kann, sollte dabei bleiben. Bitte keine Experimente, keine Neuorientierungen und vor allem: Bloß kein überflüssiges Risiko eingehen! Richtig? Für Hollywood scheint das in letzter Zeit sehr stark zu zutreffen. Man nehme lieber bereits funktionierende Geschichten, die schon zig Fans haben, damit das Geld an der Kinokasse auch stimmt. Daher erwartet uns ja auch die große Flut der Superhelden – nicht ganz ohne Grund, schließlich muss doch das gesamte „Avengers“-Team erst vorgestellt werden, bevor der eigentliche Film dann endlich rauskommt.

Nach „Hulk“ und „Iron Man“ kämpft der nächste Superheld um die Gunst seiner Fans: der nordische Göttersohn Thor. Und Thor hat gleich doppelt zu kämpfen (zumindest bei mir): Zum einen muss ich gestehen, dass ich vorher gar nicht so viel über „Thor“ als Comic wusste, zum anderen – und dieser Punkt wirkt schwerer – wurde „Thor“ von Kenneth Branagh verfilmt. Und hier kommen wir jetzt wieder zu dem Schuster und seinen Leisten.

Was mich an Branagh und seinem „Thor“ fasziniert hat, war immer die Frage, ob das Ganze überhaupt funktionieren kann. Branagh ist ein Shakespeare-Mann. Sowohl als Regisseur als auch als Schauspieler erlangte der Brite vor allem durch seine alt-englischen Dramen und Tragödien Weltruhm. Ist so jemand geeignet für eine Comic-Verfilmung??? Diese Frage wurde Branagh in zahlreichen Interviews immer und immer wieder gestellt. Geantwortet hat er immer eins: „’Thor‘ selbst hat doch genug Shakespeare-Elemente.“ Wenn man sich die Story anschaut, ist das sogar sehr treffend:

Der junge, unbändige Krieger Thor (Chris Hemsworth) hat durch sein unüberlegtes Handeln einen Krieg zwischen Asgard, der Heimat der nordischen Götter, und den Eisriesen heraufbeschworen. Für dieses Vergehen verbannt sein Vater Odin (Anthony Hopkins) ihn auf die Erde – seine Kräfte gefangen in Thors Hammer. Auf der Erde versucht Thor mit Hilfe der hübschen Forscherin Jane (Natalie Portman) einen Weg zurück zu finden, muss dabei aber gleichzeitig die fiesen Machenschaften seines Bruders Loki (Tom Hiddleston) bekämpfen.

Königshaus voller Intrigen, Brüder im Zwist und eine große Liebe – na, wenn das nicht Shakespeare in einer Comic-Verfilmung ist, dann weiß ich auch nicht 😉 Branagh gelingt für seine Verfilmung das Kunststück, „Thor“ tatsächlich wie Shakespeare aussehen zu lassen. Gerade die Szenen in Asgard sind schon mehr Kostümfilm und triefen förmlich vor königlicher Würde. In riesigen Schlössern mit opulenter Ausstattung leben die Asen und lassen es sich gut gehen. Vor allem in diesen Szenen macht der Film auch optisch ordentlich was her.

Damit soll „Thor“ jetzt aber nicht schlecht gemacht werden. Im Gegenteil, ich fand „Thor“ toll, allerdings ist der Film nicht der typische Comic-Film. Branagh setzt auf eine gewaltige Mischung: Fantasy, Drama, Tragödie, Komödie, Liebesfilm und Action-Geballer. Wenn man das alles durchgehen würde, müsste man folgendes feststellen:

Fantasy – halloooo!!! Wir reden hier von Göttern, Titanen, Kriegern, magischen Welten, mächtigen Waffen. Fantasy ist da und wie!!!

Drama ist zwar da, aber vorhersehbar. Wer einmal dieses Drama-Dreieck mit Einführung, Höhepunkt, Wendepunkt und Schluss gesehen hat, der weiß in etwa wie „Thor“ abläuft. Was hier jetzt als negative Kritik gewertet werden könnte, ist aber durchaus positiv gemeint. Jede Comic-Verfilmung ist vorhersehbar. Die Kunst besteht darin, es trotzdem sehenswert zu machen. Die Sequenzen in Asgard sind großartiges Drama, während es auf der Erde dann doch eher etwas farbloser zugeht.

Tragödie wird durch den Familienzwist der beiden Brüder sehr gekonnt dargestellt. Hemsworth und Hiddleston bilden ein schön gegensätzliches Paar. Der eine wild und unbändig, der andere eine fiese Schlange, der seinen Bruder für dessen Erfolge hasst und ihn in die Verbannung treibt. Dadurch wird aber Odin geschwächt, und Loki beginnt hinterhältig, die Macht an sich zu reißen. (Hier nochmal der Beweis, dass „Thor“ sehr viel Shakespeare in sich hat 😉 )

Komödie ist an den richtigen Stellen da, wirkt aber manchmal doch etwas gestellt. Die klassischen Action-Einzeiler sitzen bei Branagh noch nicht. Trotzdem hat „Thor“ auch seine witzigen Stellen. Wir reden hier immerhin von einem nordischen Gott, der säuft, rauft und flucht. Kaffeetassen auf den Boden werfen und mehr verlangen sind da noch die harmloseren Sachen.

Liebesfilm möchte da sein, scheitert aber grandios. Was sich da zwischen Jane und Thor abspielt, sieht eher aus wie eine Kindergarten-Verliebtheit. Natalie Portman soll eigentlich eine toughe junge Wissenschaftlerin spielen. Sobald Thor aber bei ihr ist, darf sie nur noch verlegen lächeln und hübsch aussehen (was sie aber verdammt gut macht). Hier hätte ich mir schon etwas mehr erwartet – vielleicht wäre etwas mehr Skepsis von Janes Seite aus, interessanter gewesen. Aber kaum zeigt der gute „Thor“ seinen gestählten Oberkörper, heißt es nur noch: „Ich Thor, du Jane!“ „Hihi“ und Lächeln…. schade eigentlich. Portman kann mehr.

Action-Geballer ist da. Branagh setzt auf den Hammer und haut ordentlich drauf. Die Kämpfe gegen Eisriesen oder den fiesen Destroyer sind toll in Szene gesetzt. Es wird der Hammer geschwungen, es werden Blitze heraufbeschworen, Gegner werden platt gemacht. Alles ist da, aber in Maßen. Branagh verschreibt sich nicht komplett der Action. Das ist nicht schlimm, aber wenn man sieht, was „Thor“ so alles mit seinem Hammer macht, würde man schon gerne etwas mehr sehen wollen.

„Thor“ ist nicht die übliche Comic-Verfilmung. Branagh bleibt bei seinen Leisten und erschafft Figuren, die dem Sagenbild und den alten Überlieferungen entsprechen. Bei den Göttern und Kriegern fühlt sich Branagh zu hause, weswegen die auch hervorragend sind. Die Menschen bleiben da etwas auf der Strecke. Trotzdem macht „Thor“ richtig viel Spaß. Ein weiterer „Avenger“ ist endlich da und macht neugierig auf mehr. Für den geneigten Comic-Nerd ist – meiner Meinung nach – alles mit dabei: es wird nicht langweilig, es wird gekämpft, es wird gelacht und geliebt. Stan Lee bekommt seinen obligatorischen kurzen Gastauftritt, S.H.I.E.L.D. ist wieder mit dabei (unbedingt den Abspann auch noch abwarten) und auch Mr. Stark findet Erwähnung. Mögen die „Avengers“ kommen, „Thor“ ist schon da!!!

Wertung: 8 von 10 Punkten („Thor“ schwingt den Hammer und haut ordentlich drauf und Branagh beweist, dass er der Richtige für den nordischen Gott war – in 3D hätte das Ganze jetzt nicht zwingend sein müssen, aber was soll’s?)

28 Kommentare leave one →
  1. 2. Mai 2011 06:50

    Aaaaalso: Ich fand den Film ziemlich schwach. Ich hoffe er gibt nicht die Richtung vor, in die Marvel zukünftige Comicverfilmungen lenkt. Denn man muss schon zugeben, im Vergleich mit beispielsweise Ironman schaut der gesamte Thor-Film ein bisschen wie eine Fernsehproduktion aus. Die Special-Effects sind eher mittelmässig und die wenigen Locations (eigentlich bloss 2) lassen auf ein eher beschränktes Budget schliessen oder den Film zumindest so wirken.

    Zudem ist die Verbindungen der beiden Welten bis auf Thor irgendwie misslungen. Thor sieht auf der Erde gut aus, wirkt wie der Fremdkörper der er sein soll, sobald aber seine 4 extreeeeem stereotypischen Kumpels auftauchen wirkt das ganze ein bisschen lächerlich, zumal sie auch eigentlich nichts taugen und der Shield-Späher zurecht fragt, ob hier irgendwo ein Mittelalter-Fest sei.

    Das beste am Film: Die Anspielungen an das restliche Avengers-Universum. Du Banause hast hier bloss die von Stark erwähnt. 🙂 Aber Stellan Skarsgard erwähnt auf dem Dach auch noch einen Kollegen, der führend war im Bereich der Gammastrahlung…das wäre dann wohl Bruce Banner aka Hulk. Und der Typ auf dem Kran ist Jeremy Renner aka Hawkeye. Das lässt mich als kleiner Fan schon ein bisschen hibbelig werden.

    Und: Dein Drama-Dreieck hat vier Ecken. 🙂

    Und: Long comment is long. Sorry.

    • 2. Mai 2011 07:50

      Mhh bin ja mal gespannt, wie ich den dann finde. An sich finde ich die nordische Mythologie extrem spannend, aufgrund ihres hochdramatischen und auch ein wenig pessimistischem Potential. Dass die Marvelversion natürlich ein wenig umgeändert wurde ist ja klar.

      Momentan setze ich aber noch eher auf Captain America. ^^

    • christiansfoyer permalink
      2. Mai 2011 07:52

      Wirkt tatsächlich nur wie beschränktes Budget: $150 sind doch ’ne ordentliche Stange 😉

      • christiansfoyer permalink
        2. Mai 2011 07:55

        Hupps, da fehlt ’n „Millionen“ hinter der 150!

    • 2. Mai 2011 08:24

      @ Damian: Stimmt, dass das Hawk-Eye sein sollte, ist in dem Augenblick tatsächlich an mir vorbeigegangen. Bin halt doch ein Banause. Was das Drama-Dreieck angeht, ist trotzdem alles richtig. Der Wendepunkt liegt nur auf der Strecke zwischen Höhepunkt und Schluss. (Zumindest, wenn ich es richtig in Erinnerung habe 😉 )

      @Laosüü: Ich fand die Mythologie ganz nett umgesetzt. Was Captain America angeht, reden wir hier wohl von zwei sehr, sehr unterschiedlichen Filmen. Wie gesagt, „Thor“ ist Branagh halt doch mehr ein Shakespeare-Gott als ein Comic-Gott. Was ich zumindest gut fand.

  2. christiansfoyer permalink
    2. Mai 2011 07:55

    Na, Don, warum hätte ich das nicht lesen sollen, wir teilen doch ganz ähnliche Kritikpunkte, nur das du die anders gewichtest und trotzdem noch Spaß (mehr als ich zumindest) an dem Film hattest. Besonders bei Natalie Portman stimme ich aber 100% zu – dieses dauernde Gegriene, nur weil der olle Nordmann ’n schmuckes Kerlchen is und ansonsten mal Null Persönlichkeit…

    • donpozuelo permalink*
      2. Mai 2011 08:25

      😀 Ja, ich hatte Spaß. Vielleicht lag’s aber auch daran, dass ich nicht mit zu großen Erwartungen an den Film heran gegangen bin. Ich war halt einfach nur neugierig, wie Branagh das so umsetzt.

      Und zu Frau Portman muss man nichts sagen. Hoffentlich war das nur ein kleiner Ausrutscher ihrerseits. 😉

  3. 4. Mai 2011 07:46

    Ich fand Hawkeye auch toll wie Damian, hätte gerne mehr von ihm gesehen. „Stark Industries“ hab ich auch mitbekommen, fand ich auch witzig, die Anspielung auf Bruce Banner hab ich anscheinend nicht gechecked 😀

    Naja, ich fand THOR eher durchschnittlich, da sehr unausgewogen und unspektakulär – in vielerlei Hinsicht. Portman ist eh nicht die größte, von daher hab ich auch nicht viel von ihr erwartet, mich hat aber wirklich viel an der Liebesgeschichte zwischen den beiden gestört, da stimmt einfach fast gar nichts..

    • donpozuelo permalink*
      4. Mai 2011 11:23

      Die Liebesgeschichte ist wirklich mehr als nur schlecht. Man hätte es eher im Hintergrund laufen lassen sollen – so mit der FRage, mögen sie sich nun oder nicht. Wäre dann vielleicht auch eher eine Grundlage gewesen für ein paar bessere Gags.

      DAvon mal abgesehen fand ich den keineswegs durchschnittlich. War halt mal was anderes… vielleicht liegt’s aber auch daran, dass ich diesen ganzen nordischen Götter-Kram echt geil finde 😉

  4. graval permalink
    4. Mai 2011 12:17

    Ah. Seb war der Hulk! Ich hab mich noch gefragt, ob wir diesen Typen irgendwann noch zu Gesicht kriegen würden, den Bootstrap Bill anspricht. Und Hawk-Eye war auch supi.

    Ich muss sagen, ich fand Portmans Spiel nicht so mühsam, ich fand die Figur insgesamt ein bisschen unnötig weil ziemlich unwichtig und in den Hintergrund gedrängt. Überhaupt wurden die Menschen ziemlich vernachlässigt, unmittelbare Bedrohung what?

    Und als Thor zu Loki sagt: „This is Madness!“, worauf dieser erwidert: „Madness? Madness?“ hätte ich mir schon ein bisschen ein „THIS IS ASGARD!“ gewünscht. So ein kleines bisschen. 🙂

    • donpozuelo permalink*
      4. Mai 2011 15:29

      Portmans Rolle war deswegen unnötig, weil man ihr keine Rolle gegeben hat, für die sie sich Mühe geben muss. Das hätte jede Möchtegern-Nachwuchsdarstellerin genauso gut hinbekommen. Aber so bleibt wenigstens ein großer Name auf dem Poster.

      Den „300“-Hinweis habe ich mir insgeheim auch erhofft, aber ich glaube einfach, dass Kenneth Branagh nicht der Typ ist, der schon mal „300“ gesehen hat 😉

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