Hau-drauf-Detektiv
Er ist der Inbegriff eines Detektivs. Er löst selbst die kniffligsten Fälle – durch logischen Nachdenken, Analysieren von Fakten und Tatsachen, durch Bedachtheit und Ruhe. Gelegentliches Violine-Spielen scheint da auch zu helfen.
Aber wer will heute schon logisches Nachdenken, Analysieren und vor allem Ruhe? Haben wir doch mit „CIS“, NCIS“ und all den anderen Crime-Serien mehr als genug. Also muss was Neues her: vor allem, wenn es sich um den größten aller Detektive handelt. Und so nimmt man „Sherlock Holmes“ und macht einen Action-Helden aus ihm. Warum auch nicht? Ein Neuanfang hat bei Batman und James Bond ja auch schon ganz gut funktioniert – Batman wurde etwas finsterer (weniger die Comic-Figur von früher), Bond wurde etwas verletzbarer und härter (nicht mehr der smarte unnahbare Agent von früher). Warum also kann Holmes nicht etwas dreckiger und draufgängerischer werden (anstatt im feinen Zwirn einfach nur scharf nachzudenken)?
„Holmes“ kann das durchaus, aber ob das jeder sehen möchte sei mal dahin gestellt. Mich hat das Ganze etwas irritiert. Sherlock Holmes war für mich immer ein sauberer Typ, aber der Holmes, den uns Guy Ritchie präsentiert, erkennt man nur anhand des Namens wieder. Zwar wird hin und wieder gezeigt, dass auch der „moderne“ Holmes ein Genie auf jedem Gebiet ist, aber er kann auch mal zuschlagen (auch wenn er uns das vorher in Zeitlupe genau erklären muss – was nach einer Weile auch nicht mehr viel besser wird).
Im Großen und Ganzen spielt Robert Downey Jr. seinen Holmes sehr überzeugend – aber irgendwie konnte ich nicht umher, als ihn immer wieder als eine Mischung aus Johnny Depp in „Sleepy Hollow“ und Johnny Depp in „Fluch der Karibik“ zu sehen. Der neue Holmes ist eine Figur, die mich persönlich nicht voll überzeugt: auf der einen Seite ein großes Genie, auf der anderen Seite fast schon albern, kindisch und verrückt. Aber gut: Genie und Wahnsinn liegen oft dicht bei einander. Somit muss sich jeder selbst davon überzeugen, ob ihm der neue „Sherlock Holmes“ in den Kram passt oder nicht.
Was bei Batman und Bond noch ganz gut funktionierte, hat bei „Sherlock Holmes“ nicht ganz so gut funktioniert: die Figur ist fast schon zu weit entfernt vom eigentlichen Original. Aber das wäre ja noch zu verschmerzen, wenn da nicht diese an den Haaren herbeigezogene Geschichte wäre, die einmal mehr zeigen möchte, dass schwarze Magie auch nichts weiter ist als die Klugheit einiger Menschen und die Unwissenheit anderer. Die Klugen (in diesem Fall die Bösen) nutzen das aus, erschrecken das Volk und wollen so zu Macht kommen. Ist zwar ganz nett, aber nicht nett umgesetzt. Die Story wirkt etwas lieblos zusammengeschustert, am Ende wird dann schnell in ein paar Rückblenden alles erklärt und dann ist alles gesagt. Etwas mehr Story und etwas weniger „Snatch“ wäre da vielleicht ganz gut gewesen. Manche Figuren dürfen halt nicht zu sehr verändert werden.
Wer eine etwas bessere „Sherlock Holmes“-Variante sehen möchte, dem empfehle ich den koreanischen Film „Private Eye“ – der ist einfach um Längen besser.
Wertung: 6 von 10 Punkten (Neustart nicht sehr gelungen – für Teil 2 scheint es trotzdem zu reichen)
Die mittelmäßige Bewertung scheint ja Konsens zu sein. Trotz meiner Sympathie für Ritchies bisherige Filme (nein, „Swept Away“ ist damit nicht gemeint) habe ich wenig Lust, mir diesen hier anzuschauen …
Habe mir den Film ja auch nur aus Sympathie für Ritchie angesehen (und nein, „Swept Away“ ist für mich noch nicht einmal ein Ritchie-Film – eher ein ehelicher Fehltritt 😉 ).
Die Mittelmäßigkeit sollte doch eher dem Drehbuch und nicht der Neu-Interpretation geschuldet sein.
Der Guy-Holmes entfernt sich sehr von dem landläufig bekannten und geschätzten Bild eines abgeklärten, kühlen, stolzen, wohlerzogenen und durchaus selbstverliebten Detektiven; die Interpretation dieser Charakterzüge in ihre Extreme, die sich wiederum gegenseitig ausgleichen, finde ich jedoch gelungen. Heraus kam ein extravertierter Charakter, der aufgrund seiner Passionen und Intelligenz auch spiegelbildliche Schwächen bzw. Eigenarten aufweist. Guy wechselt damit von einer glorifizierten oder jedenfalls glorifizierbaren Idealvorstellen hin zu einem individuell erlebbaren und damit verständlichen Charakter – quasi von der Aufklärung zum Realismus 🙂
Also kann man einer weiteren Verfilmung durchaus positiv gegenüber stehen!!!
PS: Toller Soundtrack; endlich hat Hans Zimmer Motive entwerfen und nur diese einbauen lassen 🙂
Natürlich ist die Mittelmäßigkeit durchs Drehbuch entstanden – keine Frage. Und wie schon gesagt, die Neu-Interpretation mag manchen ansprechen und manchen nicht. Ich gehöre da eher in die zweite Kategorie.
Ich fand und finde den Film klasse. Die Chemie zwischen Downey jr. und Law passt ja auch wie die Faust auf’s Auge. Und davon gibt es im Film auch noch reichlich.
Da ich keines der Werke Doyles gelesen habe und keine „alte“ Verfilmung kenne, hat mich Ritchies Neuinterpretation nicht gestört.
@Dr.Borstel: Den kannst du dir ruhigen Gewissens anschauen, vielleicht noch eher an einem Filmabend mit Freunden… und im O-Ton 😉
Die Chemie stimmt wohl. Das gebe ich gern zu… im O-Ton kommt das ganze eh noch besser rüber, das stimmt auch. (Eigentlich gucke ich nur O-Ton, wenn ich auf DVD gucke)… aber so ganz begeistert hat mich der Film dann doch nicht. Muss ja auch nicht bei jedem Film klappen 😉
Ich bin eigentlich kein großer Ritchie-Fan, war aber gespannt, wie er ein so großes Projekt auf die Beine stellt. Mit dem Ergebnis war ich sogar sehr zufrieden, weil sie Holmes zeigten, wie er auch öfter in den Romanen dargestellt wurde. Nämlich nicht nur hochintelligent, sportlich und im Besitz eines riesigen kombinatorischen Talents, sondern auch soziophob und drogenabhängig.
Gut, statt Fechten, war er jetzt ein Nahkampfexperte, aber das wurde gut eingebunden und die tollen Zeitlupeneffekte gab’s doch auch nur zweimal. 😉
Na gut, na gut… hast ja recht. 😉 Trotzdem war es mir eine Nummer zu krass. Ein wenig mehr hätte mir besser getan.