Blutiger Schnee
Die grausamsten Geschichten schreibt tatsächlich nur das wahre Leben. Zumindest will uns das ein „Based on a true story“ zum Beginn eines Filmes immer verdeutlichen. Dabei muss man sich bei vielen „Tatsachen“-Filmen schon fragen, wie viel wahr und wie viel reine Fiktion ist.
„Fargo“ ist so ein Film. Hier weiß man nämlich nicht zu 100%, was nun wirklich passiert ist und was einfach nur aus der Fantasie der Coen-Brüder entsprungen ist. Ist aber im Fall von „Fargo“ total egal – egal, ob wahr oder nicht – „Fargo“ fesselt so oder so. „Fargo“ ist auch einfach nur ein klassischer Coen-Brothers-Film:
Der Autohändler Jerry Lundegaard (William H. Macy) hat finanzielle Schwierigkeiten und eine ziemlich blöde Idee: seine Ehefrau hat einen reichen Daddy, deswegen heuert Lundegaard zwei Ganoven an – Carl (Steve Buscemi) und Gaear (Peter Stormare). Die beiden sollen Lundegaards Ehefrau entführen, damit sie Daddys Lösegeld einheimsen und es mit Lundegaard teilen. Was eigentlich vollkommen gewaltlos von statten gehen sollte, wird schnell ziemlich blutig: erst ein Polizist, dann zwei Augenzeugen und immer so weiter. So tritt dann auch die schwangere Polizistin Marge Gunderson (Frances McDormand) auf den Plan und untersucht die Morde.
„Fargo“ hat alles, was ein guter Coen-Brothers-Film braucht: was eigentlich harmlos beginnt, wird zu einem totalen Fiasko. Dabei besticht „Fargo“ vor allem durch den gekonnten Wechsel zwischen Blut triefendem Thriller und herrlich schwarzer Komödie. Gleichzeitig lachen und angeekelt wegschauen – das funktioniert hier ausgezeichnet. Die Genialität des Films liegt aber nicht nur in der Story, sondern besonders in den Figuren, die die Coens wunderbar entwickelt haben. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei vor allem auf Frances McDormand, die nicht umsonst mit einem Oscar ausgezeichnet wurde (wie übrigens auch das Drehbuch der Coen-Brothers). McDormands Marge ist eine naiv wirkende Provinz-Politesse, aber schon beim ersten Tatort zeigt sich, dass Marge es faustdick hinter den Ohren hat (sie hat ja auch in der Beziehung die Hose an). McDormand personifiziert hier absolute Unschuld (ob sie deswegen schwanger ist – keine Ahnung, aber allein die Tatsache, dass die Hauptfigur eine hochschwangere Frau ist, ist schon irgendwo genial) – diese Unschuld trifft auf absolute Verdorbenheit in Form von Lundegaard und Co. Und wie es sich gehört, obsiegt die Unschuld, wenn auch in einem echt ekligen Finale, in dem ein Gartenschredder eine gewichtige Rolle spielt.
Den Coen-Brothers gelingt es, die Eiseskälte der schneebedeckten Orte über den Film hinaus zu tragen. Man wird selbst ein wenig gefühlskalt – so gönnt man Jerry Lundegaard sein Schicksal genauso wie den beiden Entführern. Skrupellosigkeit sollte nicht unbestraft bleiben.
„Fargo“ ist brutal, blutig, gleichzeitig aber auch urkomisch. Man muss diesen Film einfach lieben und sei es nur wegen der schwangeren Marge, die sich ganz allein den Verbrechern stellt. Wer weiß, vielleicht wollen uns die Coens hier auch ein wenig vor Augen führen, dass Frauen doch das stärkere Geschlecht sind 🙂
Wertung: 9 von 10 Punkten (tiefer Schnee verdeckt noch tiefere menschliche Abgründe, aber die Coen-Brothers schaufeln für uns alles beiseite)
werde ich mir auf jeden fall ansehen,danke 🙂
Das Drehbuch hat seine Längen, das Ensemble um McDormand, Buscemi und Macy ist dafür umso genialer, was „Fargo“ in der Tat zu einem tollen Film macht, auch wenn ich sicher einen Punkt weniger geben würde. Nichtsdestotrotz, macht Spaß.
Echt? Längen im Drehbuch??? Ist mir jetzt so beim Gucken nicht aufgefallen. Ich fand den durchweg gut – was vielleicht als Länge interpretiert werden könnte, sollte wohl einfach nur den Provinz-Trott des Films darstellen.
Aber selbst, wenn es ein Drehbuch mit Längen sein sollte, das Ensemble steht hier wirklich über allem.